Wortbasteleien
- Sandra Göbel
- 15. Nov. 2024
- 2 Min. Lesezeit

An der Universität Leipzig war es in den Neunzigern, als ich mich für mein Dolmetscher- und Übersetzerstudium einschrieb, so, dass man einen Aufnahmetest bestreiten musste. Und zwar zunächst einmal in Deutsch! Was ich damals verwunderlich fand, schließlich wollte ich ja nicht Germanistik studieren. Und außerdem dann in zwei Fremdsprachen.
Interessant war, dass ein wichtiger Teil des Deutschtests darin bestand, neben der sprachlichen Kompetenz auch die sprachliche Kreativität zu beurteilen. So erinnere ich mich speziell an eine Aufgabe, wo man zwei Wörter zu einem Verb kombinieren sollte. Zum Beispiel für „verliebt ansehen“ => „(ver)liebsehen“. Eine weitere Aufgabenstellung lautete, Redewendungen mit einem aus ihren jeweiligen Elementen gebastelten Verb wiederzugeben. Zum Beispiel „rosabrillieren“ => „eine rosa Brille aufhaben“.
Und auch wenn mir so gar nicht einleuchten wollte, inwiefern das etwas mit Sprachmittlung zu tun haben sollte, hat es mir den allergrößten Spaß gemacht, auf diese Weise meiner Phantasie freien Lauf lassen zu dürfen. (Es ist übrigens grundsätzlich sehr bereichernd, seine Synapsen einmal neu zu ordnen. Sollte man auch auf ganz anderen Gebieten ruhig öfter mal tun!)
Im Folgenden möchte ich ein paar Beispiele für solche Wortbasteleien präsentieren. Wer will, kann gerne in den Kommentaren mitmachen. Es gibt kein Falsch, alles ist erlaubt:
1. Tolerarmen => jdn. tolerierend umarmen (und ihn so bestenfalls durch Atemnot zum Schweigen bringen). – Als schlichtende Maßnahme, die dann zu treffen ist, wenn im Zuge einer hitzigen Diskussion absehbar ist, dass wohl keine Einigung erzielt werden wird.
2. Sauerapfeln => jdn. dazu bringen, in den sauren Apfel zu beißen – also eine ungeliebte Aufgabe zu erledigen/etwas wohl oder übel auf sich zu nehmen – oder auch selbst in den sauren Apfel beißen.
3. Verheiliebt => auch nach mehreren Ehejahren immer noch verliebt in den Partner zu sein – als Angabe für den Familienstand.
4. Bewohltätigter => hoffentlich selbsterklärend. (Falls doch nicht: das Opfer eines Wohltäters.)
Was mich ebenfalls beeindruckt: Wenn Redewendungen umgedreht werden. So schreibt zum Beispiel eine meiner Lieblingsautorinnen, Dörte Hansen, über eine Frau, der ihr großer Bruder stets in der Sonne stand ... Toll!
Ein erster eigener Versuch: Jemand, mit dem man einfach jedes Obst essen kann – im Gegensatz zu dem, mit dem nicht gut Kirschen essen ist. Ist gewiss noch ausbaufähig, aber eines steht fest: Jeder Text erhält durch solche kleinen Auflockerungen definitiv eine Würze. Wobei auch hier sicher gilt: Nicht übertreiben und damit riskieren, womöglich zu wenig Suppe ums Salz gekocht zu haben! 🙃
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